Eine sehr interessante Theorie ist die Stiefeltheorie zur sozialen Gerechtigkeit bzw. Ungerechtigkeit. Sie besagt, dass ein reicher Mann, der sich das leisten kann, ein teures, gutes, solide gearbeitetes Paar Stiefel kauft, das ihm dann gut und gerne zehn Jahre hält, also zehn Winter mindestens, in denen er mit warmen und trockenen Füßen geht und sich um die aktuellen Schuhpreise keine Gedanken machen muss, es sei denn, er will noch ein zweites oder drittes Paar aus Modegründen oder Kauffreude erwerben, was aber für diese Theorie unerheblich ist und vernachlässigt werden kann.
Wenn man einmal annimmt, der Mann habe für sein gutes Paar Stiefel zweihundert Euro ausgegeben, was zwar nicht schrecklich teuer ist, aber immerhin so teuer, dass ein armer Mann es nicht ohne weiteres für Schuhe ausgeben kann, hat also der Reiche für zwanzig Euro im Jahr warme Füße. Der arme Mann hingegen, der vielleicht nur ein Paar Stiefel für siebzig oder fünfzig Euro kauft und noch auf die aktuellen Sparangebote schielen muss, um sich finanziell nicht zu übernehmen, kauft sich ein billigeres Paar, das nur einen Winter hält oder maximal zwei. Im zweiten Winter hat ein billiger Schuh oft schon undichte Stellen, vor allem, wenn man nur dieses Paar getragen hat, bei jedem Wetter und zu langen Märschen. Vielleicht legt man dann eine Lage Papier hinein oder versucht die ersten Schäden mit Spezialkleber zu beheben. Worauf es letzten Endes ankommt, ist, dass der Arme Mann mehr Geld für Schuhe ausgibt als der Reiche, mehr als doppelt so viel sogar, und doch hat er kalte Füße.
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