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Autor: Henning Schwarze
Datum: 08.03.2014
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Aufbau Baumkataster in Sinsheim

Organisation der Baumpflege in der Stadt Sinsheim

Baumpflege und Baumkontrolle benötigen Organisation und Kontinuität in der Arbeit. Digitale Informationssysteme können beim Aufbau eines Baumkatasters hilfreiches Werkzeug sein, wenn Daten und Technik handlich sind. Im folgenden Artikel stellt die Stadt Sinsheim Methode und Technik bei der Erfassung und Bewertung des kommunalen Baumbestandes vor.

Zitat:„Was Bäumchen nicht lernt, lernt Baum nimmermehr.“ (Granda Alonso, MA.E. 1996)

Im aufstrebenden Landstädtchen Sinsheim findet man die schönen alten Bäumen in den Quartieren der Gründerzeit und auf den Friedhöfen in den dreizehn Ortsteilen. Auch im Alter von 80 – 120 Jahren bereiten die mit ca. 7m hochstämmigen Linden selten Sorgen in Fragen der Verkehrssicherheit. Die Vitalität ist gut und mit vereinzelter Kronenpflege sind die Pflegemaßnahmen überschaubar. Das Ergebnis von Generationen gekonnter Gärtnerei kann sich sehen lassen. Die Bäume sind Ergebnis einer frühzeitigen und kontinuierlichen Pflege der Gärtner bzw. von „Baumwarten“ die ihren Arbeitsgegenstand gut kannten und die Wirkung ihrer Arbeit genau beobachteten.

Rechtzeitige Baumpflege fällt immer da auf wo sie fehlt. Dies gilt auch für ca. 1/3 des Sinsheimer Baumbestandes, der mehr oder weniger aus spontanem Aufwuchs der letzten 40 Jahre besteht. Für die älteren Bäume kommt eine wirtschaftliche Pflege zu spät. Neben den Folgen von Umbruch und Rationalisierung in der Grünpflege ab den 70ern (vgl. Lechmayr, H. 1993) ist in Sinsheim die Ausdehnung der modernen Stadt eine Hauptursache für die „Altlasten“ im Baumbestand. Wohn- und Gewerbegebiete mit Ausgleichs- und Erholungsflächen rücken immer öfter an oder in die Stadtforste oder an Brachen mit spontanen Gehölzen. Wo aber ein entsprechender Publikumsverkehr eröffnet wird, müssen nach geltender Rechtsprechung auch die bislang „wilden Bäume“ verkehrssicher gehalten werden. Der Umbau dieses Baumbestands kann nicht schlagartig passieren. Eine Hauptaufgabe der kommunalen Baumpflege in Sinsheim ist die Sicherung und Überführung dieses Bestandes nach den gelungen Vorbildern am Ort. Das notwendige Protokolle zur Prüfung der eigenen Arbeit soll in eine „handliche Form“ gebracht werden. Eine praktikable Lösung dieser Aufgabe erschien in der Konzeption eines EDV gestützten Baumkatasters, das neben der Inventur alle Vorgänge plan- und prüfbar protokolliert und auch den Veränderungen im Bestand leicht anzupassen ist.

Zitat: „Einen guten Garten zu bauen ist im Grunde eine höchst einfache und nüchterne Sache: man mussihn organisieren.“ (Migge, L.1913)

Die Arbeit im Stadtgrün wird von den Umständen und der Organisation am Ort bestimmt. Dazu gehört in Sinsheim die Arbeit in vielen Teilorten auf großer Fläche. Auf halber Strecke zwischen Heidelberg und Heilbronn im badischen Kraichgau liegt Sinsheim mit 36000 Einwohnern. 1/3 der Bevölkerung wohnt in der Kernstadt, 2/3 wohnt in den 12 kleineren Teilorten auf einer Gemarkungsfläche von 127km². Durch die zentrale Lage der städtischen Eigenbetriebe und der weitläufiger Verteilung der Arbeitsorte entstehen bei der Unterhaltung lange Wegstrecken. Die Ansprüche und Anforderungen an die Unterhaltung der kommunalen Freiräume sind in den Teilorte durchaus unterschiedlich. Insgesamt werden in allen Orten 90 Spielplätze, 14 Friedhöfen, 21 Sportrasenfelder und einem bislang nicht ermittelten Grünfläche an Gemeindestraßen, auf Schmuck-, und Freizeitanlagen und sonstigen kommunalen Liegenschaften betreut.

Organisation der kommunalen Baumpflege in Sinsheim

Die Sicherung und Pflege der kommunalen Grünflächen war bis zur Bildung der Eigenbetriebe Sinsheimer Stadtwerke Ende der 90er Jahre eigenverantwortliche Aufgabe der Gärtnergruppe. Diese waren bis zu diesem Zeitpunkt dem Stadtbauamt unterstellt. Noch als integrativer Bestanteil der Eigenbetriebe wurde der kommunale Baumbestand bis in jüngster Zeit von der 19 Mann starken Gärtnergruppe nahezu eigenständig betreut. Erfahrung und Routine der Stadtgärtner konnte auch die Aufgaben zur Sicherung des kommunalen Baumbestandes meistern. Es fehlten aber plausible Vorgaben für Entscheidungen wie z.B. mit den Baumbrachen zu verfahren ist. Auch wurde die Prüfung der Arbeitsergebnisse von Amtseite gefordert. 2005 wurde dazu im Dezernat II der Stadtverwaltung die Abteilung 611 Stadt- und Grünflächenplanung, Umwelt (nachfolgend: Grünflächenabteilung) eingerichtet. Neben dem Abteilungsleiter, sind der Grünflächenabteilung ein technischer Angestellter und eine Verwaltungsangestellte zugeordnet. Zwischen der Grünflächenabteilung und der Gärtnergruppe besteht ein internes Auftragsverhältnis. Die Gärtnergruppe erhält von der Grünflächenabteilung den Dienstauftrag zur Baumkontrolle (bzw. Erfassung des Baumbestandes). Die Baumpfleger der Gärtnergruppe liefern die Zustandsberichte und schlagen Maßnahmen zur Baumpflege vor. Diese werden von der Abteilung 611 geprüft und an die Gärtnergruppe beauftragt. Bei besonderem Bedarf, wie z.B. eingehende Untersuchungen der Baumstatik. werden externe Unternehmen beauftragt. Die Kosten der Baumpflege werden der Stadtverwaltung vom Eigenbetrieb in Rechnung gestellt. Die Abteilung für Planung und Grünflächenunterhaltung kalkuliert und prüft die Aufwendungen für die Baumpflege

Aufstellung eines digitalen „Quartierbuches“

Eine Hauptaufgabe der Grünflächenabteilung ist die Baumpflege der Stadt in eine nachvollziehbare und planbare Form zu bringen. Die Pflege des wertvollen kommunalen Baumbestandes soll im Ertrag prüfbar sein. Die Sicherung und Umbau z.B. der spontanen Bestände müssen nachvollziehbar dokumentiert werden. Wichtig war auch die Ausarbeitung von eigenen Regeln auf Grundlage einer Inventur des Baumbestandes am Ort. Im Erwerbsgartenbau der Baumschulen wird zu diesem Zweck das „Quartierbuch“ geführt in dem Kulturziel und Pflegeaufwand protokolliert werden. Als Pedant zum Quartierbuch wurde in der Stadtverwaltung Sinsheim die Einführung eines digital geführten Baumkatasters geplant und realisiert. Die Einführung eines Baumkatasters hat neben dem expliziten Zweck der Verkehrssicherung, auch die implizite Aufgabe den Arbeitsertrag prüfbar zu dokumentieren.

Im Herbst 2005 hat sich die Grünflächenabteilung für ein fertige Baumkatastersoftware entschieden. Das Baumkataster wurde mit einer Schnittstelle zum vorhandenen GIS eingerichtet. Die Baumdatenbank wird alleine über das Baumkataster in der Grünflächenabteilung verwaltet. Das GIS liest die Baum-Datenbank aus. Es dient vor allem zur graphischen Darstellung und über die GIS Auskunft als Information für andere Fachämter. Die Erfassung und Kontrolle passiert mit zwei Pocket-PC´s. Die Erfassung wird mit dem mobilen Katasterprogramm vorgenommen. Die Ortung und Ansprache der Bäume wird über digitale Katasterkarten im mobilen GIS erreicht. Über eine Schnittstelle ist auf den mobilen Geräten ein leichtes Umschalten von der digitalen Karte zum jeweiligen Datenbestand möglich. Die Bäume werden vom Kontrolleur ohne Markierung anhand der Position in der Grundkarte und anhand der jeweiligen Kenndaten im Baumkataster angesprochen. Bei der Ersterfassung werden Hauptdaten wie Alter, Höhe erfasst. Daneben werden auch Schad-, bzw. Wuchsanomalien (vgl. Mattheck 2007) erhoben, die den Zustand des Baumes bzw. des Baumbestandes in der Stadt darstellen. Der Pflegemaßnahmen werden nach eigenem Maßnahmenkatalog in Anlehnung an bestehende Regelwerke (vgl.ZTV Baumpflege 2006) festgelegt. Die Priorität der Maßnahme und Kontrollintervalle werden nach der „Richtlinie zu Überprüfung der Verkehrsicherheit von Bäumen“ (vgl. FLL Baumkontrollrichtlinie 2010) festgelegt. Die relativ umfangreiche Darstellung aus der Ersterfassung dient einer grundlegenden Inventur des Bestandes. Bei den Regelkontrollen werden die Verkehrssicherheit und die erforderlichen Maßnahmen protokolliert.

Die Inventur des Baumbestandes

Als Grundlage für die Ersterfassung diente die photogrammetrische Auswertung einer Luftbildbefliegung aus dem Jahr 2004. Zur Auswertung wurde ein Vermessungsbüro beauftragt die Baumstandorte auf den städtischen Liegenschaften digital zu erfassen. Nach Ergebnis dieser Luftbildkartierung waren rund 10000 Einzelbäume und 700 Baumgruppen weiter zu behandeln. Der Digitalisierung nach Luftbild folgte ab Juni 2006 eine Standortkontrolle durch die Baumpfleger am Boden mit Personal der Gärtnergruppe des Bauhofes. Die Baumpfleger der Stadt konnten sich dabei mit dem System und der Orientierung auf den digitalen Karten vertraut machen. Die Bäume werden vom Kontrolleur ohne Markierung anhand der Position in der Grundkarte und anhand der jeweiligen Kenndaten im Baumkataster angesprochen. Grenzbereiche für diese Art der Ansprache über digitale Kartenblätter sind große Grundstücke oder Forstflächen ohne markante Katastermarken. Hier werden zur Orientierung zusätzlich Vermessungsdaten z.B. Wanderwege, Bänke, Spielgeräte etc. in das mobile GIS eingespielt.
Nach erfolgreichem Abschluss der Standtortkontrollen wird seit August 2006 die Ersterfassung durch die Baumpfleger der Gärtnergruppe durchgeführt. Der aktuelle Stand der Ersterfassung steht nach 10 Monaten im Mai 2007 bei 3200 Bäumen was rund einem drittel des gesamten Baumbestandes entspricht. Die Erfassung geht damit zwar deutlich langsamer als geplant hat dafür aber auch beim ausführenden Personal eine hohe Akzeptanz. Ohne weitere Informationen ist der Standort in der Karte am Boden schlecht aufzufinden. Für die Friedhöfe wurden zur Orientierung Teile des Friedhofkatasters hinterlegt.

Zwischenbilanz

„Auch unter den schlechtesten Rahmenbedingungen sind die schönsten Gärten denkbar, vertraut man sie nur einem Gärtner an, der persönliche Anteilnahme hat und haben darf.“( Barz, H.P. 2006)

Nach Sichtung der ersten Daten wird die anfängliche Diagnose zum Baumbestand weitgehend bestätigt. Die Inventur zeigt auch, dass der Umbau des Bestandes zu gepflegten Stadtbäumen eine langfristige Aufgabe in den nächsten Jahren sein wird, wenn nicht zunehmend Gefahrbäume verwalten werden sollen. Durch die Einführung des Baumkatasters in der Stadt Sinsheim ist die bislang allgemeine Verantwortung der Stadt für die Pflege und die Sicherheit der Bäume plan- und prüfbar geworden. Gleichzeitig ist die Verantwortung der Mitarbeiter für den kommunalen Baumbestandes in Stadtverwaltung und Stadtwerken konkreter geworden. Der Erhalt und, wo notwendig, der Umbau des Baumbestandes im Stadtgrün ist daher eine verantwortungsvolle Aufgabe. Die wertvollen alten Bäume der Friedhöfe zeigen, dass dazu auch Kontinuität gehört. Die Aufgaben in der Pflege des kommunalen Baumbestandes sollen daher auch in Zukunft in enger Zusammenarbeit zwischen Gärtnergruppe und Grünflächenabteilung gemeistert werden. Zum Schluss sei an dieser Stelle allen Kolleginnen und Kollegen in der Stadtverwaltung und der Stadtwerke Sinsheim gedankt, die an der Realisierung des Sinsheimer Baumkatasters mitwirken und die die Sinsheimer Bäume mit Vergnügen pflegen.

Artikel von Henning Schwarze
www.baumvisite-northeim.de



Quellen

Granda Alonso, MA.E. 1996: „Was Bäumchen nicht lernt, lernt Baum nimmermehr.“ Notizbuch der Kasseler Schule 38 „Stadtbaumschule“

Lechnmayr, H. 1994: „Die Scherweide“ Notizbuch der Kasseler Schule 34 „Pflege-Fälle

Migge, L. 1920: „Die Gartenkultur des 20. Jahrhunderts“. Jena Reprint

Mattheck, C. 2007: „Feldanleitung für Baumkontrollen“. Forschungszentrum Karlsruhe

Anonymus 2010: „Richtlinie zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen“ (FLL) Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V.

Anonymus 2006: „ZTV Baumpflege“ (FLL) Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V.
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